2005
Europas starke Mitte
Im Jahr zuvor, mit 1. Mai 2004, waren zehn Staaten der EU beigetreten, darunter acht osteuropäische Länder Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien, Polen, Estland, Lettland und Litauen. Österreich lag nun nicht mehr am Rand der Union, sondern war, ohne sich selbst bewegt zu haben, mehr in deren Mitte gerückt. Wirtschaftlich brachte diese EU-Erweiterung bei bereits hohem Wachstum einen nochmaligen Schub, sowohl für Österreich als auch für die neuen Mitgliedsländer.
Diese Oststaaten hatten bereits in den 1990er-Jahren eine beachtliche Entwicklung zu verzeichnen, demokratiepolitisch und wirtschaftlich. Einige wie Tschechien und die Slowakei waren zudem schon sehr früh Assoziierungsabkommen mit der EU eingegangen. Und ab der Jahrtausendwende befeuerte die immer konkreter werdende EU-Beitrittsperspektive die positive Dynamik zusätzlich. Zwischen 2000 und 2005 betrug das BIP-Wachstum in Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien mehr als das Doppelte des Wachstums der alten EU-Mitgliedsstaaten. Bis 2007 konnten besonders Tschechien, die Slowakei und Slowenien den Aufschwung fortsetzen, während Polen zu ihnen aufschloss.
Von allen EU-Staaten profitierte Österreich durch seine geographische und kulturelle Nähe am stärksten von den expandierenden Märkten des Ostens. So stiegen die österreichischen Exporte nach Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Polen von 1995 bis 2003 von 4 auf 9,7 Milliarden Euro und bis 2023 auf fast 30 Milliarden. Ein weiterer positiver Effekt der EU-Osterweiterung war der gewaltige Anstieg von Direktinvestitionen in Österreich. Deutsche, Schweizer, niederländische und italienische Unternehmen bauten Strukturen auf, um sich von Österreich aus Osteuropa zu erschließen. Lagen derartige Investitionen 1995 bei 16 Milliarden Euro, so erhöhten sie sich bis 2006 auf 83 und bis 2022 auf 194 Milliarden.
Niederösterreich nutzte die Chancen aus der EU-Erweiterung in beeindruckender Weise. Von den zehn wichtigsten Exportmärkten niederösterreichischer Unternehmen liegen mit Ungarn, Tschechien, Polen, Slowenien und der Slowakei gleich fünf in Mittel- und Osteuropa. Nach Deutschland waren in den letzten Jahren Tschechien und danach Ungarn der zweitwichtigste Exportmarkt für niederösterreichische Produkte.
Die engen nachbarschaftlichen Beziehungen gehen für Niederösterreich allerdings über das Thema Wirtschaft weit hinaus. So wurden Krankenhauskooperationen in der Grenzregion organisiert und etwa in Gmünd ein grenzüberschreitendes Gesundheitszentrum aufgebaut. Auch in den Bereichen Kultur und Wissenschaft wird in unterschiedlichsten Formaten kooperiert. Die grenzüberschreitende niederösterreichisch-tschechische Landesausstellung 2009 oder auch die Zusammenarbeit der Donauuniversität Krems mit slowakischen und tschechischen Partnern sind bemerkenswerte Beispiele hierfür.